Der Drachentöter Wolf Biermann, der immer gegen die Drachenbrut der Ex-DDR gekämpft hat, war in Düsseldorf zu Gast, diesmal ohne seine Gitarre, dafür aber mit einem Buch über sich selbst. Pünktlich zu seinem 80. Geburtstag.

Lesung im Heinrich Heine Saal

Im Heinrich Heine Saal des Palais Wittgenstein präsentierte er Warte nicht auf bessre Zeiten gemeinsam mit Manuel Soubeyrand, der ausgesuchte Kapitel mit großem sprecherischen Können vortrug. Andreas Öhler führte als Moderator durch den Vormittag. Es entwickelte sich eine historische Rückschau in persönlicher Sache, die aber so persönlich gar nicht sein konnte. Vielmehr war sie auch eine Rückschau der deutschen Geschichte ab dem Zweiten Weltkrieg.

Von dem schweren Fliegerangriff auf Hamburg, den Wolf Biermann als kleiner Junge miterleben musste, über die Jugend im Sozialismus der DDR und der ersten naiven Begeisterung für selbigen, bis hin zu seinem Berufsverbot und die Ausbürgerung als Dissident in den 70er Jahren. Gespannt hörten ungefähr 200 Zuhörer zu, wenn Biermann selbst zwischen den Kapiteln das Wort ergriff und mit einer Präsens und Vehemenz das Geschehen an sich riss. um die ihn So mancher Dreißigjähriger sollte ihn darum beneiden.

Der erste Biermann-Auftritt

So lernte das Publikum seine erste öffentliche und damals völlig unerwartete Lesung aus den 60er Jahren kennen. Denn das Gedicht An die alten Sozialisten wird als originale Bandaufnahme eingespielt. Er musst es damals im Rahmen einer Veranstaltung in der Universität vortragen, womit er damals nicht gerechnet hatte. Ebenso wurde das Geheimnis um die Entstehung eines Geräuschs aus einer früheren Plattenproduktion gelüftet. Das lärmende Geräusch war nichts weiter als eine Spielzeugdose aus Blech, in der kleine Figuren waren. Biermann berichtete dann selbst mit subtilem Humor von Musikaufnahmen mit einem sehr guten Mikrophon, das durch seine hohe Qualität den gesamten Straßenlärm, trotz ge-schlossener Fenster, mit aufgezeichnet hatte.

Es entstand eine entspannte, pointenreiche Lesung, die kurzweilig, wie auch informativ war. Natürlich ging es zentral um Biermann, und natürlich weiß er sich gekonnt in Szene zu setzen. Aber erwartet das Publikum dies nicht auch?

Einer aus dem Publikum

In diesem Publikum befand auch ich mich und erinnerte an ein Treffen mit Biermann, das ich noch als Schüler bei einem Konzert hatte. Damals besuchte ich die Biermannveranstaltung weniger aus Interesse, sondern aus Zwang. Mein Deutschlehrer hatte mich mit ein paar andere Leidensgenossen aus dem Kurs dazu verpflichtet. Es wurde wie erwartet furchtbare Veranstaltung für einen 18-jährigen, der eher dem Hardrock zugetan war. Doch an das Gespräch nach dem Konzert habe ich bis heute gute Erinnerungen. Ich war beeindruckt von Biermanns Ausstrahlung und seinen Wortwitz während unseres Gesprächs. Natürlich wollte ich damals auch ein Autogramm von ihm haben, welches ich auch auf dem Konzertticket bekam. Leider ging es mir jedoch im Laufe der Zeit verloren. Diesen Verlust wollte heute wieder gut machen.

So gab es für mich eine neue Signatur des Drachentöters und auch ein neues Gespräch. Biermann konnte sich natürlich nicht mehr an den damals desinteressierten Schüler, der ich sicher war, erinnern, doch immerhin an die Tournee. Es entspann sich trotzdem ein spannendes Gespräch, das den Dichter in mir inspiriert hat.

Für mich war es eine gelungene Reise zurück in die Vergangenheit, wie vielleicht für viele der anwesenden Besucher. Eine Reise, die im Gedächtnis bleiben wird.

Bildquelle:

Beitragsbild: C.Jahl

Bild C.Jahl mit Wolf Biermann: C.Miskewitz

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