Inhalt:
- Filmmusik – “Der Pass”
- Der Soundtrack der Sky-Serie
- Düstere Serienmusik
- Ellie Stocker, eine menschliche Kommissarin
- Kommissar Winter und Wolfgang Ambros
- Die dritte Ebene
- Innovative Technik
- Fazit
Filmmusik von “Der Pass”
Die Filmmusik von „Der Pass“ (Originaltitel: Pagan Peak) zählt zu den eindrucksvollsten Klangwelten moderner Serienproduktionen. Filmkomponist Jacob Shea erschafft in Zusammenarbeit mit Hans Zimmer einen düsteren, elektronischen Soundtrack, der die Atmosphäre der Alpen-Thriller-Serie perfekt unterstreicht. Deswegen beschäftigen wir uns in diesem Artikel mit der Analyse der Filmmusik und des Sounddesigns. Wie sieht beispielsweise die Beziehung von Musik und Handlung in „Der Pass“ aus? Denn der Soundtrack ist ein zentrales Stilmittel, dessen musikalische Sprache die Serie „Der Pass“ so einzigartig macht.
Hier ist auch das Zitat “Die Finsternis haßt Finsternis, weils da immer finster is” aus dem Wolfgang Ambros Lied “Finsternis” zu nennen. In dem Soundtrack spielen dieses Zitat und Ambros’ Songs eine große Rolle, denn mit diesem Zitat setzt Kommissar Gedeon Winter in einem Dialog mit Kommissarin Ellie Stocker den Grundton der atmosphärischen Musik dieser Thiller-Serie.
Die Skyproduktion, die zwischen 2019 und 2023 entstand präsentiert in den Hauptrollen Julia Jentsch und Nicholas Ofzarek als die beiden Komissare Elli Stocker und Gedeon Winter, die in drei Staffeln rätselhafte Mordserien im Berchtesgadener Land auf deutscher und dem Salzburger Land auf österreichischer Seite aufklären müssen.
Der Soundtrack der Sky-Serie
Aus den heutigen Produktion sticht die Serie hervor, nicht nur wegen der beiden herausragenden und miteinander harmonierenden Hauptdarstellern Jentsch und Ofzarek, sondern vor allem wegen der Musik. In Kombination mit der bildgewaltigen Darstellung der Alpenweltbringen sie eine ungewöhnliche Tiefe und Emotionalität in die Geschichte. Dabei erfüllt sie auf verschiedenen Ebenen verschiedene Aufgaben.
Auf der ersten Ebene ist zunächst einmal der Filmscore zu nennen, der durch seine innovative Klangwelten und Herangehensweisen auffällt, mit denen die Bergwelt dargestellt wird.
Daneben ist sie für die Figur des Gedeon Winter als Soundtrack seines Lebens mit den Songs des eingangs zitiertem Wolfgang Ambros von großer erzählerischer Bedeutung. Diese Songs fungieren innerhlab der Filmusik aus “Der Pass” als musikalische Klammer und Repräsentant des Austropops und Österrreichs. Ambros’ Lieder sind an verschiedenen Stellen als tragendes Element oder im Hintergrund zu hören. Sie sbilden die zweite Ebene.
Auf einer dritten Ebene sind verschiedene Songs österreichischer oder auch internationaler Künstler zu hören, wie der Titel “You and I” von Delegation. Sie bringen eine weiter musikalische Farbe in die Erzählung und sorgen für einen starken Kontrast.
Düstere Serienmusik
Das Titelstück von “Der Pass” ist – ebenso wie der gesamte Score – bewusst nicht orchestral arrangiert, sondern als elektronisch geprägtes Klanggebilde angelegt ist, das vor allem auf Sounddesign und Synthese setzt: Schon in der Eingangssequenz des ersten Films wird deutlich, wie durch bedrohlich wirkende Klänge eine bedrückende Atmosphäre geschaffen wird. Diese steht im Kontrast zu dem verfremdeten Saiteninstrument, das entfernt an eine Zitter, vielleicht ein Banjo erinnert und als melodiöses Element hinzukommt.
Es wirkt fast wie ein beruhigendes Zitat aus Krimiserien wie beispielsweise “Sherlock” und zeichnet einen musikalischen Rahmen.
Im weiteren Verlauf der Filme werden Bergpanoramen oder Waldszenerien teils mit verfremdeten Blech- und Holzbläsern, teils mit künstlichen Klängen unterlegt, die einen mystischen, fast morbiden Charme entwickeln. Jedes Geräusch, jeder Klang – von den flüsternden Windstößen, die durch die schroffen Felsformationen wehen, bis hin zu den leisen, fast unmerklichen Tönen, welche die Einsamkeit der Bergwelt widerspiegeln – entfaltet seine Wirkung und ermöglicht es dem Zuschauer das Geschehen intnsiv mitzuerleben.
Eine Winterlandschaft in Tirol 2024, wie sie auch in “Der Pass” vorkommen könnte.
Dabei reicht beim Zusehen die Gefühlspalette von Staunen über Beklommenheit bis zu Furcht. Es lässt einen mehr als einmal erschaudern. Das erreichen andere Filmscores natürlich auch. Das Besondere hier ist jedoch die Symbiose der Klänge mit der typisch alpenländischen Kultur, die ja auch inhaltlich bedeutsam ist, aber vornehmlich bedrohlich erscheint. Der Mann aus dem Wald, der Krampus, alpenländische Mythen und die Perchtenkultur scheinen in den Klangelementen lebendig zu werden.
Neben einzelnen Klängen erscheinen bei der Analyse der Filmmusik “Der Pass” mit dem Gang der Handlung rhythmisch-pulsierende, granulare Texturen, synthetische Klangteppiche und akustische Räume, die fast “dreidimensional” wirken. Mit geschickten Einsatz von Hallräumen und “Downpitching-Effekten”, ist es so, als ob man tatsächlich “in die Abgründe der Täler und der Geschichte” gerissen wird.
So ist es besonders beeindruckend, wie die Hintergrundmusik der Sky-Serie und das Sound-Design zwischen Melodien, natürlichen Klängen und dramatischen Soundeffekten wechselt. Man spürt ruhige Momente, in denen die Weite und Einsamkeit der Alpen durch eine subtile Geräuschkulisse wahrgenommen wird. Man spürt aber auch in den dynamische Inszenierungen, die durch gezielte akustische Akzente den Adrenalinschub bei Verfolgungsjagden oder dramatischen Enthüllungen verstärken, das Düstere, das Bedrohliche in der Handlung.
Diese Vielschichtigkeit ermöglicht es dem Zuschauer, förmlich in die Welt der Serie einzutauchen und jedes Detail intensiv mitzuerleben.
Ellie Stocker, eine menschliche Kommissarin
In der ersten Staffel ist diese Klangverteilung auch mit der Geschichte der Kommissarin Ellie Stocker verbunden. In den Folgen bis zur vermeintlichen Klärung des Falles fällt sie mit ihrer roten Winterjacke auf. Sie ist der einzige Farbtupfer in einer winterlichen, einer düsteren Welt. Ihr sympathisches, gewinnendes Wesen und ihre Verbindlichkeit bilden eine Einheit, die sie in dem kalten und distanziertem Umfeld menschlich erscheinen lässt.
Gegen Ende der siebten Folge der ersten Staffel verändert sie sich nach einem Zeitsprung von einem Jahr jedoch spürbar. Sie hat nun einen neuen, kürzeren Haarschnitt, wirkt insgesamt, kühl, distanziert und trägt, was auffällig ist, auf einmal schwarz. Die rote Jacke ist verschwunden. Die Ereignisse haben auf ihrer Seele Spuren hinterlassen, und dies zeigt sich auch in einem veränderten Äußeren. Doch nicht nur dort.
Auch die Musik zeigt sich plötzlich ganz anders und präsentiert dem Zuschauern einen melancholischen, ruhigen Ansatz. Fließende Tonkombinationen in verhallten Pianopassagen, ruhige Streicher und Synthesizer-Pads korrespondieren mit Stockers Traurigkeit und emotionalen Versehrtheit.
Klanglich entwickelt sich so eine ganz andere, nach Innen gerichtete, kontemplative Welt. Das bedrohliche in der Musik ist erst einmal verschwunden, so wie auch in der Geschichte der Täter.
Das bedrohliche kehrt jedoch zurück, als der Täter nun neben ihr wohnt und sogar ihr neuer Vermieter ist. So wie der Täter zurückkehrt, so kehrt auch die Musik nun wieder zu ihrem bedrohlichen Ansatz zurück, und ebenso, als Kommissar Winter sie rettet, auch Ellie Stockers rote Winterjacke.
Kommissar Winter und Wolgang Ambros
Der bekannte österreichische Sänger und Liedermacher Wolfgang Ambros ist in allen drei Staffeln mit seinen Songs und Textzitaten präsent. Die Lieder sind nicht nur untrennbar mit der Figur des Kommissars Gedeon Winter verbunden, sondern auch mit der österreichischen Seele.
Als zentrales erzählerisches Motiv bilden sie die Grundlage für die zweite musikalische Ebene neben dem Filmscore.
In Folge 1 zitiert Winter Ambros’ Textzeile “Die Finsternis haßt Finsternis, weils da immer finster is”, von der wir schon oben gelesen haben. Dieses abwechslungsreiche Wortspiel mit vielen stimmlosen s-Lauten und einer Apokope, das ein wenig an heutige Rap-Texte erinnert, stammt aus dem Song “Finsternis”. Es kann als Metapher für die Zerrissenheit Winters Persönlichkeit verstanden werden.
Kommissar Winter ist sich der Finsternis in seiner eigenen Persönlichkeit bewusst und zitiert wohl auch deswegen Ellie Stocker gegenüber diese Zeilen, vielleicht um Vertrauen zu ihr aufzubauen, vielleicht auch um ihr seine eigene Zerrissenheit und die der österreichischen Seele offenzulegen, die zwischen Moderne und Tradition, zwischen atemberaubender Natur und dem Städtischen pendelt. Er ist nämlich als Wiener ein “Flachlandösterreicher”, ein Städter und weiß von der Bergwelt kaum etwas, bis er aufgrund seiner beruflichen Verfehlungen in das Salzburgerland strafversetzt wird.
Fortan machen Ambros’ Songs Gedeon Winters innere Welt und seine emotionalen Kämpfe sichtbar, indem sie in seinem Lieblingscafé im Hintergrund laufen oder er sie sich über Kopfhörer anhört.
Sie sind für ihn eine Verbindung zu einem glücklicheren Abschnitt seines Lebens und dienen als Bindeglied zwischen Vergangenheit und Gegenwart. Er reflektiert in ihnen seinen eigenen Weg, der auch seine österreichische Identität beinhaltet, denn er spricht mit Dialekt, wie auch Ambros selbst mit Dialekt singt. Es entsteht eine enge Verknüpfung von Musik, Polizeialltag und kultureller Identität einer Region bzw. eines ganzen Landes.
So erhält die Produktion eine authentische und vor allem glaubhaft Tiefe, die in diesem Genre bemerkenswert ist.
Die dritte Ebene
Diese Tiefe wird noch verstärkt durch die anderen Popsongs in den insgesamt 24 Filmen. Denn neben Wolfgang Ambros, der mit Winter verwoben zu sein scheint, kommen auch andere österreichische Künstler vor. Hier sind Fuzzman, Voodoo Jürgens, Reinhard Fendrich oder Yukno zu nennen. Auch sie verleihen den Filmen auf der musikalischen Ebene eine starke Identität, die untrennbar mit Österreich verbunden ist.
Dabei spiegeln sie die jüngere Vergangenheit des Austropop genauso wie die Gegenwart. Hier ist auch der österreichische Filmkomponist Ulrich Dallinger zu nennen, der in “Der Pass” als Akkordeonspieler im Bereich des Sound Designs mit Lokalkolorit hervorragende Beiträge leistet.
Innovative Technik im Studio
Jacob Shea hat im Studio bei der Produktion der Musik mit einer speziellen Technik gearbeitet, die es ihm ermöglicht hat, kombiniert mit analogen als auch digitalen Synthesizeren zu arbeiten. Diese Technik basiert auf der digital gesteuerten Routing-Lösung PATCH-System der amrikanischen Audio Hardware Firma Flock Audio aus Fort Worth in Texas. Sie ermöglicht es diverse Geräte auf übersichtliche und einfache Weise digital zu verbinden und vor allem in einer übersichtlichen Form immer parat zu haben.
Eine Serie wie “Der Pass” erfordert unkonventionelle Kompositionen und Klänge, deren Produktion schnell Probleme bereiten kann. Die Kreation solcher Klänge passiert oft intuitiv oder durch experimentieren. Man kann als Komponist schon bei wenigen Folgen die Übersicht der Klangquellen verlieren, bei 24 Folgen erst recht. Hier hilft das PATCH-System.
Denn es ermöglicht Einstellungen und Instrumente der Klangketten – von der ersten bis zur letzten Episode – exakt wieder abrufen zu können. So bleibt die klangliche Struktur, der Gesamtsound stets konsistent. Es können beispielsweise Klänge zur Charakterisierung für eine Person – kommt sie auch beispielsweise nur in Folge 2 und 23 vor – wieder exakt abgerufen werden.
So konnte Jacob Shea leicht mit einem weiten Spektrum an analogen und digitalen Synthesizern arbeiten, um tiefe Drones, sphärische Pads und unheimliche „Flächen“ zu erzeugen. So entsteht eher ein nicht von traditioneller akustischer Instrumentierung dominierter Soundtrack. Akustische Elemente wie dezente Piano- oder Streicher-Samples sind zwar zuhören, doch es gibt kein volles Orchester. Sie sind stark bearbeitet. Dadurch fügen sie sich nahtlos ins elektronische Klanggefüge ein.
Fazit
Der Pass überzeugt durch seine reibungslos ineinandergreifenden Elemente Story, Darsteller und Musik. Sie sind eng miteinander verwoben und verleihen der Produktion eine ungewöhnliche emotionale Tiefe, die in dem Genre eher untypisch ist. Durch den Filmscore von Hans Zimmer und Jakob Shea mit einem herausragenden Sound-Design und stimmigen Songs wird diese Tiefe noch untersterstützt.
Durch die schauspielerische Leistung der beiden Hauptdarsteller Julia Jentsch und Nicholas Ofzarek, die die Komissare Stocker und Winter spielen, wird die Geschichte glaubhaft vorgetragen. Hervorzuheben ist die symbolische Verbindung Kommissar Winters mit den Songs von Wolfgang Ambros, die eine kulturelle Brücke zu Österreich und der Alpenregion schlägt.
Wenn auch die Handlungen im Lauf der Staffeln mit vielen Nebensträngen ein wenig an Kraft verlieren, ist “Der Pass” ein cineastisch und emotional gelungenen Werk geworden, das einen ganz eigenen, unverwechselbaren Charakter besitzt.
Aktuell ist die Serie auf Netflix zu sehen.
Produktionsdetails:
- Produktionsländer: Österreich und Deutschland
- Sprache: Deutsch, Dialekt
- Genre: Krimi
- Folgen: 24 Folgen in 3 Staffeln
- Produktion: Wiedemann & Berg
- Filmproduktion: Epo-Film
- Musik: Jakob Shea, Hans ZImmer
Hauptrollen über mehrere Staffeln:
- Julia Jentsch: Ellie Stocker
- Nicholas Ofczarek:Gedeon Winter
- Lucas Gregorowicz: Charles Turek
- Martin Feifel: Christian Ressler
- Rony Herman: Sven Rieger
- Christian Baumann: Thomas Braun
- Matthias Hack: Ben Heller
- Christopher Schärf: Jörg Hässmann
- Vivi Gutheinz: Moderatorin
- Steffen Mennekes: Chauffeur
Anspieltipps:
Wolfgang Ambros: Finternis, De Kinettn wo I schlof
Ulrich Dallinger: Diatonic Sphere
Yukno: Blut
Voodoo Jürgens: Angst haums
Beitragsbild: Christian Jahl
Beitragsfoto: Bildzitat nach § 51 UrhG, Quelle: Femundo, abgerufen am 29.4.2025
Foto Winterlandschaft: Christian Jahl