„Das ist Musik, wie ich sie mir immer erträumt habe. Sternenmusik.“ So sagt es Karl Heinz Stockhausen in der Graphic Novel von Thomas von Steinaecker und David von Bassewitz zu einem Studienkollegen, der uns nicht weiter bekannt ist. Und in der Tat spielen die Sterne bei Stockhausen eine gewisse Rolle. Nicht nur dass er nach seinem eigenen Empfinden vom Planeten Sirius stammt, sondern auch seine Musik mag für manche Menschen nach weit entfernten Galaxien klingen, die noch niemand gesehen hat.
Wer ist Karl-Heinz Stockhausen?
Doch wer ist dieser Karl Heinz Stochausen eigentlich? Will man bei Null beginnen so erfährt man bei Wikipedia, dass er ein deutscher Komponist war, der 1928 in Mödrath nahe Köln geboren und 2007 in Kürten gestorben ist. Er gehört zu den bedeutendsten Komponisten des 20. Jahrhunderts und hat als Pionier die elektronische Musik mitbegründet. Zu seinen größten Fans gehörten die Beatles. Heute ist er nicht vergessen, spielt aber in der öffentlichen Wahrnehmung eine weniger große Rolle.
Der Mann, der vom Sirius kam
Doch wieso schreibe ich eigentlich über ihn? Am 20. April war ich zu der Präsentation der erwähnten Graphic Novel „Stockhausen – Der Mann, der vom Sirius kam“ im Haus der Geschichte eingeladen. Die beiden Autoren erzählten auf dieser Veranstaltung von dem Buch, seiner Entstehung und der interessanten Freundschaft zwischen Karl-Heinz Stockhausen und Thomas von Steinaecker. Er hatte ihn als Junge nach einem Konzert einfach angesprochen. Es entwickelte sich so eine ungewöhnliche Freundschaft, in der Stockhausen der großväterliche Freund war. Basierend auf dieser Zeit entstand die Geschichte für die Graphic Novel.
Sie erzählt in zwei Erzählsträngen das Leben des Komponisten und parallel dazu, wie von Steinaecker seine Musik als Jugendlicher entdeckte, was allein schon außergewöhnlich war. Stockhausen ist eher nicht die Musik, die 10-12-jährige hören. Eine Musik, über die der Komponist selbst einmal gesagt hat, dass sie vielleicht erst in 200 Jahren wirklich akzeptiert werden würde.
Ohne genau zu wissen, was mich erwarten würde, ging ich also zu der Veranstaltung, bei der im Rahmenprogramm auch die Band Rhein spielen sollte, die ich allerdings nicht kannte. Mit wachsender Neugier lauschte ich nach der ausführlichen Vorstellung der Autoren der Lesung. Dabei ließ mich auf unterhaltsame Weise in die 80er Jahre entführen, in die Zeit, in der Thomas von Steinaecker zum ersten Mal gemeinsam mit seinem Bruder unter der Anleitung seines Vaters Stockhausen hören “musste”. Dabei stellte er in seinen Ausführungen fest, wie er sich auf einmal dabei ertappte, immer wieder die Platte zu hören. Irgendetwas musste ihn also an der Musik faszinieren. Vielleicht war es das, was an Stockhausen eigentlich immer faszinieren kann: Eine gewisse Radikalität der Klänge, eine neuartige Musiksprache, eine fremde Welt, in die man als Hörer entführt wird, eine Verunsicherung.
Erinnerungen an einen sympathischen Mann
Während ich dem Vortrag weiter lauschte, begann ich mich wieder daran zu erinnern, dass auch ich Stockhausen einmal kenngelernt hatte, allerdings unter gänzlich anderen Umständen. Als ganz junger Musikwissenschaften-Student musste ich im Rahmen eines Proseminars eine Konzertkritik zu dem Opernzyklus Licht – Die sieben Tage der Woche von Stockhausen schreiben. Hierzu ging es an einem Montagabend in die Kölner Philharmonie, da ich über den Montag schreiben sollte. Und an diesem Abend sollte ich den legendären Mann kennenlernen, der für mich im positiven wie im negativen Sinn immer mit Superlativen verbunden war. Jedoch spielte er damals eine eher kleinere Rolle, die sich auf das Studium bezog und eher von einer respektvollen Neugier geprägt war. Wenn ich an jenen Abend zurückdenke, erklingt in meiner Erinnerung nicht nur der unglaubliche Klang einer faszinierenden Musik, sondern es erscheint auch ein sympathischer, älterer Herr, den eine außergewöhnliche Aura umgab. So außergewöhnlich wie er, war auch die Idee für den Zyklus. Er erzählt in sieben Opern (!) das Leben des Menschen innerhalb der Zeit, die durch die sieben Wochentage als Rahmen, in dem der Mensch lebt, symbolisiert. Der Titel Licht steht sinnbildlich für das Göttliche im Allgemeinen.
Im weiteren Verlauf der Lesung erfuhr ich gemeinsam mit dem Publikum interessante Details aus Stockhausens Leben und auch aus dem des jungen Thomas, der mit einer spürbaren Leidenschaft aus jenen Jahren berichtet. Während den Ausführungen, die in verteilten Rollen gemeinsam mit dem Illustrator von Bassewitz präsentiert wurden, fand ich auch mich selbst wieder. Thomas von Steinaecker erzählte seinen SChulfreunden ofrt begeistert von Stockhausen. Diese hatten jedoch ind er Regel nur eine ratloses Schulterzucken als Kommentar übig. Bei mir war es als Jugendlicher nicht Stockhausen, sondern Fusion und Jazzrock. Ich erzählte gerne von Bands wie Mahavishnu Orchestra oder Blood, Sweat and Tears, die damals allesamt schon aufgelöst waren. Auch ich erntete gerne Schulterzucken oder verstörte Blicke. Ich konnte Steinaeckers Erzählung also gut nachempfinden.
Nach dem Ende der Lesung fühlte ich mich auf jeden Fall gut unterhalten. Es breitete sich eine Neugier in mir aus, die wissen wollte, wie es mit der Geschichte von Karl Heinz Stockhausen und Thomas von Steinaecker weitergeht. Dafür muss ich mich aber gedulden, bis Teil 2 erscheint.
Das Wort der Sternenmusik kommt mir wieder in den Sinn. Stockhausen wollte mit seiner Musik vielleicht selbst einen Weg zu den Sternen finden. Ich jedenfalls hatte lange nicht mehr über Stockhausen nachgedacht, bin aber nach dem Abend dankbar, wieder auf ihn gestoßen zu sein. Auf diesen sympathischen, älteren Herrn, der seinen Weg kompromisslos gegangen ist und, wer weiß, jetzt vielleicht aus irgendeiner fernen Galaxie das musikalische Treiben unserer Zeit betrachtet. Was mag er wohl dabei denken?
Anspieltipps:
- Gesang der Jünglinge
- Donnerstag aus Licht
- Hymnen
- Inori
Beitragsfoto: Christian Jahl