Die rasante Entwicklung der Digitaltechnik der letzten Jahre hat vieles, das einmal als grundlegend galt, verändert, vornehmlich im Bereich der Tonverarbeitung und der Datenübertragung. Wie kommt eigentlich die Wahrnehmung des menschlichen Gehirns damit klar?

Was passiert bei der Datenreduktion?

Seit Datenmengen digital übertragen werden, stellt sich die Frage, wie dies möglichst effizient passieren kann. Vor allem seit der Einführung der Smartphones und mobiler Abspielgeräte ist die Jagd nach der schnellsten Übertragung dieser teils unglaublich großen Datenmengen in der technischen Entwicklung allgegenwärtig. 

Eine Möglichkeit für Audiodateien ist dabei die Umwandlung der originalen Wav- oder Aif-Dateien in das MP3 Format. MP3, oder auch MPEG 1 Layer III oder auch MPEG 2 Layer III, ist die Dateinamenserweiterung und bezeichnet damit einen Vorgang, bei dem nur alle für den Menschen hörbaren Signalanteile gespeichert werden. Dadurch werden viele natürliche Anteile des Signals gelöscht, wodurch seine Dateigröße erheblich kleiner wird. Hierbei wird die Qualität kaum hörbar vermindert, obwohl das Signal einem Großteil seines Bestandteils beraubt wird. Hierbei handelt es sich um ein neuroakustisches Phänomen, dessen Auswirkungen groß sind, auf das Signal, wie auch auf den Hörer. Was soll nun aber so schlimm daran sein, wenn Teile des Signals, die der Mensch ohnehin nicht hören kann, fehlen? Eigentlich nichts, da das menschliche Gehör diese Signale nicht bewusst wahrnimmt. Und mit „bewusst“ haben wir den Kern des Problems geufunden. Das Gehör nimmt diese Signale nicht bewusst, sondern unbewusst wahr. Und das Gehör braucht diese Anteile des normalen Audiosignals, um sich auf die Klänge einzustellen. In der Fachsprache würde man sagen „das Gehör kalibriert sich“. Dieser Vorgang hat etwas mit der Signalverarbeitung innerhalb des Ohres zu tun, genauer gesagt mit der Schnecke, die direkt mit dem Trommelfell verbunden ist.

Fehlt dem Gehör diese richtige Grundeinstellung für ein Signal, so erliegt es einer Sinnestäuschung und wird verwirrt. Es kommt zu einer Dejustierung des Gehörs, wenn konstant dieser Sinnestäuschung ausgesetzt ist. Ergebnis dieser Dejustierung ist eine Eintrübung des Gehörs. Es kann mit der Zeit schlechter leise Töne wahrnehmen und auch verschiedene Klangfarben können nicht mehr so gut unterschieden werden. Das Gehör wird generell unempfindlicher, wodurch es nicht mehr so gut Klänge aufnimmt. In schlimmsten Fall kann es auch zu Tinitus und Rauschen im Ohr führen.

Man kann es so umschreiben: Das Gehör wird unsensibler und kann bald unbearbeitete Signale nicht mehr in ihrer Natürlichkeit erfassen, da es durch die ständige Fehlkalibrierung falsch eingestellt ist.

Negative Emotionen und Nervosität

Diese Effekte sind vordergründig nicht wirklich gefährlich, zumindest ist dies noch nicht nachgewiesen, aber sie haben dennoch schwerwiegende Folgen. Denn das Gehirn versucht die entstandenen Lücken durch die „abgeschnittenen“ Anteile des datenreduzierten Audiosignals zu kompensieren und zu schließen. Es nutzt genau so viele Areale wie bei einem natürlichen Audiosignal. Mit dem Unterschied, dass sie nichts zu verarbeiten haben. Dadurch kommt es zu Ermüdungserscheinungen und Stressgefühlen. Man fühlt sich mit der Zeit seltsam matt, reagiert nervös oder sogar aggressiv. Das Gehirn lässt sich eben nicht austricksen.

Eine weitere Konsequenz ist die Tatsache, dass man der ganzen Bandbreite des Klanggenusses beraubt wird. Wer konstant datenreduzierte Musik hört, weiß gar nicht mehr, wie sie wirklich klingt, da sein Ohr mit der Zeit falsch kalibriert ist und nicht mehr richtig wahrnimmt. Wie sich dieser Gewöhnungseffekt auf das Gehör auswirkt, muss noch weiter untersucht werden. Es kann durchaus sein, dass durch konstantes Hören von datenreduzierten Formaten das Gehör nicht mehr in der Lage ist, sich richtig zu kalibrieren.

Achtsamkeit in Bezug zur Nutzung digitaler Klangquellen sollte für jeden Menschen normal sein, so normal wie die Achtsamkeit bei der Ernährung.

Die richtige Balance

In der heutigen Zeit ist es unmöglich auf datenreduzierte Audiodateien oder Übertragungen auf den diversen Mobilgeräten zu verzichten. Deswegen sollte man versuchen sich zu sensibilisieren und den Ohren Erholungspausen durch bewusstes Hören von Musik von CDs oder Vinyl-Platten, die ja seit geraumer Zeit eine Renaissance erleben, auf normalen Abspielgeräten gönnen. Der Musikgenuss um ein Vielfaches höher. Auch die Kommunikationsmöglichkeiten über Mobiltelefone sollten mit Bedacht genutzt werden. Das Gehör und die Nerven sollten es einem wert sein.

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